Tag der Vertriebenen beim Hessentag 2017 in Rüsselsheim

Verleihung des hessischen Landespreises "Flucht, Vertreibung, Eingliederung"


Getreu dem Motto "Hesse ist, wer Hesse sein will" des früheren hessischen Ministerpräsidenten Georg August Zinn wurden im Jahre 1961 die Hessentage als ein "Fest der Einheit in Vielfalt" ins Leben gerufen. Ziel dieser Veranstaltung war zunächst, Alteingesessene und Zuwanderer zusammenzubringen und den zahlreichen Heimatvertriebenen und Flüchtlingen ein Gefühl für ihr neues Zuhause zu geben.

Auch in diesem Jahr stand im Rahmen des Hessentages in der südhessischen Opel-Stadt Rüsselsheim beim großen Volkstumsnachmittag am Tag der Vertriebenen am Wochenende nach Pfingsten die Präsentation von Musik, Tanz und Gesang verschiedener Vertreibungsgebiete wieder im Mittelpunkt. Vor zahlreichen Besuchern in der bis auf den letzten Platz gefüllten Aula der Rüsselsheimer Immanuel-Kant-Schule konnte zu Beginn der Veranstaltung BdV-Landesvorsitzender Siegbert Ortmann dazu zahlreiche Ehrengäste begrüßen, darunter den hessischen Ministerpräsidenten Volker Bouffier, den Sozialminister Stefan Grüttner, die Landesbeauftragte Margarete Ziegler-Raschdorf, den Oberbürgermeister der Stadt Rüsselsheim Patrick Burghardt, den Bürgermeister der Kreisstadt Groß-Gerau Stefan Sauer sowie die Landtagsabgeordneten Sabine Bächle-Scholz (CDU), Ulrich Caspar (CDU) und Landesvorsitzender der Union der Vertriebenen (UdV), Klaus Dietz (CDU), Irmgard Klaff-Isselmann (CDU), Horst Klee (CDU), Kerstin Geis (SPD) und das Hessentagspaar Selma Kücükyavuz und Marcel Sedlmayer.

In seiner Begrüßung wies Ortmann darauf hin, die mitwirkenden Kulturgruppen würden mit ihren Darbietungen verdeutlichen, dass es weiterhin wichtig sei, die Kultur der deutschen Heimatvertriebenen und Spätaussiedler zu erhalten und ihr Brauchtum zu pflegen. Es zeige sich hierbei, was die ehemalige Heimat der Vertriebenen so schön und einzigartig gemacht habe. Es gelte die Erinnerung an die kulturelle Geschichte ihrer Vorfahren zu pflegen und wachzuhalten und damit als spezielle Geschichte, auch als Teil der Geschichte unseres Landes, zu bewahren.

Ministerpräsident Bouffier stellte in seinen Grußworten fest, dass der Hessentag und die Vertriebenen untrennbar zusammengehörten. Sie seien der Grund gewesen, dass es diesen Hessentag überhaupt gebe. "Die Adressaten dieser Überlegungen waren damals die Heimatvertriebenen. Sie waren es, die sechzehn Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg 1961 in Alsfeld mit dem schönen Satz "Hesse ist, wer Hesse sein will" gemeint waren, sich neu einzulassen auf eine "neue Heimat", auf ein Land, in das man ja nicht freiwillig gegangen ist, sondern in das man gekommen ist aufgrund von Umständen, dafür die Einzelnen nichts konnten." Wahr sei, Hessen wäre nicht Hessen und Deutschland nicht Deutschland, ohne die Leistung der Heimatvertriebenen und dafür wolle sich der Ministerpräsident herzlich bedanken. Die Heimatvertriebenen seien die prominentesten und ersten Brückenbauer gemäß ihrer Charta für ein vereintes Europa und dabei weitsichtige und visionäre Handelnde gewesen.

Während des diesjährigen Volkstumsnachmittags kam es zu der alle zwei Jahre statt findenden Verleihung des hessischen Landespreises „Flucht, Vertreibung, Eingliederung“ an die von einer Jury ausgewählten Preisträger. In diesem Jahr sollten sich die Arbeiten für die Preisverleihung den Vorgaben zufolge mit dem Thema "Kirche in der Heimat - Kirche als Heimat der Vertriebenen und Deportierten" befassen. Diese Würdigung mit dem hessischen Landespreis soll im Geiste der bereits kurz nach Kriegsende unterzeichneten „Charta der deutschen Heimatvertriebenen“ die darin erklärte Absage an Rache und Vergeltung hervorheben und den Willen der Heimatvertriebenen betonen, am Aufbau Deutschlands und Europas im Geiste der Versöhnung mitzuwirken. Durch den Preis sollen besonders auch junge Menschen angesprochen und ermuntert werden, sich mit der Geschichte Deutschlands und der Siedlungsgebiete der Deutschen im östlichen Europa zu beschäftigen.

So konnte Ministerpräsident Volker Bouffier mit Sozialminister Stefan Grüttner unter 19 eingesandten Arbeiten in diesem Jahr zwei Preisträger zu dem diesjährigen Thema auszeichnen: Patrick Strosche zum Thema "Das Ringen um die Aufnahme ostdeutscher Kirchenlieder in das Gesangbuch des Bistums Mainz" und Marlene und Horst Gömpel zum Thema ". . . angekommen! - Vertrieben aus dem Sudetenland - aufgenommen in Nordhessen - vereint in der Europäischen Union".

Margarete Ziegler-Raschdorf, Landesbeauftragte für Heimatvertriebene und Spätaussiedler der hessischen Landesregierung, würdigte in ihrer Laudatio die Beitrage der Preisträger zum Thema Integration der deutschen Heimatvertriebenen. Mit seinen Untersuchungen habe nach den Worten der Landesbeauftragten Patrik Strosche einen interessanten Beitrag zur Erforschung des Eingliederungsprozesses der Heimatvertriebenen nach dem Zweiten Weltkrieg in Hessen geliefert, der zu weiterer Forschung anrege. Für diese außerordentliche Leistung möchte ihn das Land Hessen auszeichnen und mit dem Landespreis „Flucht, Vertreibung, Eingliederung“ ehren.

Seit der Ankunft der deutschen Heimatvertriebenen nach Flucht und Vertreibung in Hessen nach dem Zweiten Weltkrieg war dieses Thema für die leidgeprüften Menschen vor allem nach dem Verlust ihrer Heimat stets präsent. Ein bei traditionellen Heimatvertriebenenwallfahrten in ganz Hessen auch heute noch gesungenes Lied aus der Schubert-Messe "Wohin soll ich mich wenden, wenn Gram und Schmerz mich drücken ...." symbolisiert bis in die heutigen Tage den nicht zurückgelassenen tiefen Glauben, der diesen Menschen auch während der Flucht und Vertreibung nicht geraubt werden konnte, und den sie in ihrem Fluchtgepäck stets mit sich führten.

In vielen hessischen Gemeinden haben die Vertriebenen fast als erstes mit ihren eigenen Händen kleine Kapellen und Kirchen gebaut. Es lässt sich wohl nie ermessen, wie viel Kraft die Heimatvertriebenen mitten im Elend und in der Verzweiflung aus ihrem unerschütterlichen christlichen Glauben und ihrer nicht versiegenden Hoffnung geschöpft haben.

Das Werk des Ehepaares Marlene und Horst Gömpel, das mit dem zweiten Preis ausgezeichnet wurde, sei das Ergebnis eines jahrelangen intensiven Forschungsprozesses, in dem die beiden zahlreiche Hintergründe und bis dahin noch unbekannte Aspekte zur Vertreibung, Ankunft und Verteilung der Sudetendeutschen in Hessen recherchiert hätten. Ihr Buch sei damit sowohl für Betroffene als auch für Nicht-Vertriebene interessant. Nicht zuletzt sei ihre Arbeit aber auch ein Appell zur Verständigung zwischen Deutschen und Tschechen, wie insbesondere aus dem Kapitel „Zeichen der Versöhnung“ hervorgehe.

© bdvhessen-press/06/2017