Am 24. Oktober 2025 fand im Theater im Pariser Hof in Wiesbaden die Podiumsdiskussion „(Nicht) gehört & (nicht) gesehen. Junge osteuropäische Stimmen zu Herkunft, Erinnerung und digitaler Sichtbarkeit“ statt. Die vom BdV-Landesverband Hessen initiierte Veranstaltung brachte Stimmen aus Politik, Journalismus und Zivilgesellschaft zusammen und zeigte eindrucksvoll, wie wichtig es ist, Betroffenen selbst eine Bühne zu geben. Unter der Moderation von Kulturreferentin Ann-Kathrin Hartenbach diskutierten Lara Klaes (MdL, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN), Politikerin und Mitglied des Unterausschusses für Heimatvertriebene, Aussiedler, Flüchtlinge und Wiedergutmachung, die Journalistin Anastasia Tikhomirova und der Jurist und Antidiskriminierungstrainer Sergej Prokopkin über historische Kontinuitäten, aktuelle Diskriminierungsformen und Wege zu mehr gesellschaftlicher Sichtbarkeit. Den Auftakt bildete ein musikalischer Beitrag der ukrainischen Sängerin Karyna Fedorko.
Im Mittelpunkt des Abends standen Fragen nach gesellschaftlicher Teilhabe, Bildungsarbeit und digitaler Verantwortung. Die Diskutierenden waren sich einig: Wissen zu vermitteln ist der wichtigste Weg, um Demokratie zu stärken und gesellschaftliche Spaltung zu überwinden. Gleichzeitig wurde deutlich, dass in der öffentlichen Wahrnehmung noch erhebliche Wissenslücken bestehen – sowohl über historische Diskriminierung von Menschen aus Osteuropa als auch über heutige Formen des Antislawismus in Alltag, Arbeitswelt und Medien. Dabei wurde betont, dass Diskriminierung selten isoliert auftritt, sondern sich oft mit Sexismus, Klassismus oder Antisemitismus überschneidet.
Kritisch angesprochen wurde die Kürzung von Fördermitteln in den Bereichen Demokratieförderung und Antidiskriminierungsarbeit. Diese Entscheidungen schwächen nach Ansicht der Teilnehmenden jene Strukturen, die Wissen vermitteln, Dialog fördern und gesellschaftliche Vielfalt abbilden. Zugleich wurde gefordert, Betroffenen eine aktive Rolle in Bildungs- und Kulturprojekten zu geben und ihre Perspektiven als festen Bestandteil von Erinnerungskultur und politischer Bildung zu verankern. Ein zentraler Punkt der Diskussion war die digitale Öffentlichkeit. Social Media wurde als wichtiger Ort der Aufklärung, aber auch der Polarisierung beschrieben. Viele Betroffene nutzen Plattformen, um Diskriminierung sichtbar zu machen, Vorurteile zu hinterfragen und Missstände zu benennen. Dabei geht es auch darum, „Gleichzeitigkeiten auszuhalten“ – also die Komplexität gesellschaftlicher Erfahrungen zu akzeptieren, ohne einfache Antworten zu suchen.
Die Veranstaltung zeigte, dass Aufklärung, Erinnerung und digitale Mündigkeit zusammengehören. In Deutschland leben rund neun Millionen Menschen mit Bezügen zu Osteuropa. Ihre Geschichten, Erfahrungen und Perspektiven sind Teil unserer Gesellschaft und verdienen Anerkennung, Raum und Sichtbarkeit.
Der BdV-Landesverband Hessen setzt sich seit über 70 Jahren dafür ein, Erinnerungskultur lebendig zu halten und Brücken zwischen Vergangenheit und Gegenwart zu schlagen. Mit Veranstaltungen wie dieser leistet er einen Beitrag zur demokratischen Bildung, zur Förderung gesellschaftlicher Vielfalt und zum Dialog zwischen den Generationen und Herkunftskulturen.





