Gelnhausen, September 2025 – Wie findet man Zugehörigkeit in einer Welt, die die eigene Geschichte ausgelöscht hat? Diese Frage stand im Mittelpunkt einer besonderen Veranstaltung im Rahmen des Literaturfestivals „Leseland Hessen“: Am 26. und 27. September trafen sich Interessierte in Gelnhausen zu einem zweitägigen Austausch mit der Autorin Lena Wolf, die eigens aus London angereist war, um ihr Werk „Möge die Welt dein Zuhause sein!“ vorzustellen – eine Graphic Novel, die Themen wie Vertreibung, Identität, Trauma und Versöhnung auf eindrückliche Weise miteinander verbindet. Gemeinsam mit dem Sprach- und Partnerschaftsinitiative e.V. wurde sich hier zwei Tage lang der, im Dezember letzten Jahres veröffentlichten Graphic Novel gewidmet.
Begleitet von den kraftvollen Illustrationen des Künstlers Christoph Heuer, erzählt die 220-seitige Graphic Novel die Geschichte einer Suche nach Heimat und innerem Frieden. Sie ist das erste Werk dieser Art, das die Geschichte der Sowjetunion und der Deportationen in grafischer Form behandelt. Das Buch erschien auf deutsch, englisch und russisch und spricht damit ein breites, internationales Publikum an.
Am ersten Veranstaltungstag stellte Lena Wolf ihr Buch im Gespräch vor und sprach mit Gästen über den Umgang mit historischen Traumata, das Bedürfnis nach Zugehörigkeit und den Mut, über erlebtes Leid zu sprechen. Viele Teilnehmende nutzten die Gelegenheit, eigene Erfahrungen einzubringen. Am Folgetag bot Wolf einen Workshop für Kinder und Jugendliche an, in dem sie den Entstehungsprozess eines Comics erklärte und zeigte, wie aus Zeichnungen bewegende Geschichten entstehen.
Das Werk hat auch einen besonderen Hessen- und Spätausgesiedelten-Bezug: Im Buch werden unter anderem Offenbach und andere hessische Orte erwähnt, die die Autorin mit ihrer eigenen Lebensgeschichte verknüpft. Entstanden ist die Graphic Novel in einem internationalen Kreativteam: Das Cover gestaltete eine Künstlerin aus der Ukraine, die Zeichnungen entstanden in Essen, die Kolorierung in Spanien.
Lena Wolf wurde in Lettland geboren und wuchs in Kasachstan auf. Ihre Familie gehört zu den Nachkommen der Deutschen aus der Ukraine und Südrusslands, die zur Zeit Katharinas der Großen ins Russische Reich einwanderten. Als Teenager kam sie mit ihrer Familie nach Deutschland. Nach ihrem Studium in Neuseeland begann sie, die Geschichten ihrer Familie und vieler anderer Russlanddeutscher künstlerisch aufzuarbeiten. Heute lebt sie in London und widmet sich mit Leidenschaft dem Erhalt und der Weitergabe dieser Erinnerungen – von den Wolgadeutschen bis zu den Deutschen aus Kasachstan, der Ukraine und Russland.
Mit „Möge die Welt dein Zuhause sein“ ist ihr ein Werk gelungen, das historische Erfahrung und persönliche Identität miteinander verwebt – ein Plädoyer für Empathie, Erinnerung und das Recht auf Heimat.



