Eine Reisegruppe des Deutsch-Europäischen Bildungswerks in Hessen war in der ersten Septemberwoche während eines vom Bundesministerium des Innern und für Heimat geförderten Seminars aus der Reihe „Begegnung und Verständigung“ zum Thema „Die Karpatendeutschen - Das Erbe der deutschen Kultur im Zipser Land und Bodwatal“ unterwegs in den reizvollen ostslowakischen Vielvölkerregionen der Ober- und Unterzips und im Bodwatal. Dort leben seit ca. 800 Jahren Deutsche, die zusammengefasst als Karpatendeutsche bezeichnet werden und sowohl Geschichte als auch die Kultur des Landes über Jahrhunderte deutlich geprägt haben. Heute gibt es dort nur noch rund 6000 Deutsche, überwiegend in den historischen Siedlungsgebieten der Slowakei.
Während des einwöchigen Seminars wurden zahlreiche öffentliche Institutionen und zivile Einrichtungen aufgesucht, die ein Zusammenwirken in der Geschichte als Grundlage für das friedliche und offene Zusammenleben im gegenwärtigen Europa verständlich machen sollten. Und für die Zukunft möge nach den Vorstellungen des Seminarleiters Siegbert Ortmann damit die Hoffnung auf nimmer nachlassende Bemühungen um den Erhalt und die Förderung der deutschen Sprache, Kultur und Identität durch die heute in dieser Gegend lebenden Menschen der deutschen Minderheit einhergehen. Den Auftakt dieser siebentägigen Auslandsveranstaltung bildete ein Empfang im Rathaus von Metzenseifen (Medzev), bei dem Primator Radoslav Gedeon über die gegenwärtigen deutsch-slowakischen Beziehungen am Beispiel seiner Stadt berichtete und dabei vor allem positive Aspekte erwähnen konnte.
Die gegenwärtige offizielle slowakische Minderheitenpolitik gestalte sich dagegen nicht so positiv. Und deshalb könne sich Dr. Ondrej Pöss, Vorsitzender des Karpatendeutschen Vereins (KDV), mit ihr so nicht zufriedengeben. Denn wie er bei seinem Vorstellungsgespräch in der Geschäftsstelle in Kaschau (Košice) darlegte, werde seitens der slowakischen Regierung für die kleine, zerstreut lebenden Minderheiten, wie die deutsche, immer noch zu wenig getan. Und auch von Deutschland wünschte sich Dr. Pöss mehr Unterstützung, vor allem bei dem Zustandekommen von mehr Partnerschaften unter den Kommunen. Im Übrigen gehe es aber mit der deutschen Sprache in der Slowakei aktuell etwas bergauf. So spielten nämlich heute deutsche Automobilhersteller und deren Zulieferer sowie Finanz- und Technologiekonzerne oder Dienstleistungsunternehmen und Handelsketten aus deutschsprachigen Ländern eine wichtige Rolle beim Erhalt der deutschen Sprache.
Ganz so optimistisch sieht es der internationale Künstler Helmut Bistika nicht. Mit seiner Frau Jana betreibt er in Metzenseifen ein Café, in das er die Seminarteilnehmer einlud und bei dieser interessanten Begegnung sehr lebhaft über sein künstlerisches Wirken berichtete. Die derzeitige Sprachensituation beklagte er aber sehr deutlich: „Mit unserer Minderheit geht es zu Ende. Wer spricht denn noch meine eigentliche Muttersprache, den Dialekt der Mantaken? Niemand mehr!“ Diesen niederdeutschen Dialekt gebe es in der Slowakei seit dem 13. Jahrhundert. „Wenn die Generation meiner Eltern stirbt, dann stirbt mit ihnen auch diese Sprache aus“, fürchtet Bistika.
Die Vorsitzende der Organisation des Karpatendeutschen Vereins (KDV) in der Region Oberzips, Maria Recktenwald, gab bei der interaktiven Zusammenkunft im Kulturhaus Hopgarten (Chmeľnica) ihre persönliche Einschätzung zum gegenwärtigem Sprachenproblem auf ihre Weise wie folgt wieder: „Wir wohnen in der Slowakei, aber im Herzen sind wir Deutsche“.
Über die Karpatendeutsche Jugend und ihre aktuellen Projekte referierte der Lehrer Patrik Lompart, Vorsitzender der Karpatendeutschen Jugend und Deutschlehrer an einer Grundschule in Kesmark (Kežmarok). Zu dieser stellte er dann auch zusätzlichen Kontakt her und so konnte die deutsche Reisegruppe eine vierte Schulklasse im Deutschunterricht besuchen. Die neunjährigen Schulkinder zeigten sich unter der Aufsicht ihrer Deutschlehrerin Lucia Liscova sehr aufgeweckt und fröhlich. Eine zehnjährige Schülerin trug auch noch zur allgemeinen Überraschung das lustige Kindergedicht „Die Regenfrau“ von Elke Bräunling in deutscher Sprache auswendig vor.
Heute gibt es immer noch zwei karpatendeutsche Orte, Hopgarten und Metzenseifen, mit deutschsprachigen Ortsschildern. In Hopgarten ist die Einwohnerschaft immer noch mehrheitlich deutschsprachig, in Metzenseifen und weiteren Orten der Unterzips wird vor allem die sogenannte mantakische Mundart gesprochen.
Ein sehr bekannter Angehöriger der Karpatendeutschen ist übrigens Rudolf Schuster, der von 1999 bis 2004 slowakischer Präsident war. Er bekannte sich nachdrücklich zu seiner deutschen Herkunft und pflegte auch enge Kontakte zur Karpatendeutschen Landsmannschaft in der Bundesrepublik. Seine einmalige und umfangreiche kinematografische Sammlung ist im ehemaligen Wohnhaus seiner Familie in Metzenseifen der Öffentlichkeit zugänglich gemacht und konnte dort mit den Erläuterungen von Peter Sorger, Vorsitzender der Stiftung Karpatendeutsche Assoziation, von den Seminarteilnehmern bestaunt werden.
Die finanzielle Unterstützung vom Kultusministerium der Slowakischen Republik, Zuwendungen aus der Bundesrepublik Deutschland sowie die moralische und materielle Unterstützung der Landsmannschaften und Landsleute helfen nachweislich, den in der Slowakei lebenden Deutschen ihre eigene Kultur, ihre Sitten und Traditionen zu pflegen und zu bewahren, so Ing. Vojtech Wagner, KDV-Vorsitztender Ortsgruppe Kesmark, beim Stadtrundgang in Leutschau (Levoča), einstige Hauptstadt der Provinz der Zipser Sachsen, heute UNESCO-Weltkulturerbe und „Reformationsstadt Europas“. Auch in Kesmark führte er die Reisegruppe am letzten Seminartag sachkundig durch die historische Altstadt mit drei historischen Kirchen.
Sehenswert waren nach dem Seminarprogramm vor allem auch die geführten Besichtigungen der Zipser Burg als einer der größten Burgruinenkomplexe Mitteleuropas und UNESCO-Weltkulturerbe sowie die noch gut erhaltene Burg Lubovna, die heute ein Museum über die Geschichte der Burg beherbergt.
Beim Denkmal der im Jahre 1945 Verschleppten, nach Russland Deportierten und für die aus ihrer Heimat nach Deutschland Vertriebenen auf dem Friedhof in Hopgarten legte Seminarleiter Siegbert Ortmann zum Gedenken ein Blumengebinde nieder und dazu betete die Gruppe gemeinsam ein Vaterunser.
Am Ende des verständigungspolitischen Seminars stand zum Abschluss noch ein Museumsbesuch in Zipser Neudorf (Spišská Nová Ves) an, wo Kuratorin Zuzana Tothova vor dem Rundgang durch die Ausstellungsräume noch einen sehr umfassenden Gesamtlagebericht über die Deutschen in der Zips vortrug.
Zusammenfassend war diese Seminarreise nach Auffassung des Seminarleiters Siegbert Ortmann und seines Mitarbeiterinnen-Teams mit Agnes Maria Brügging-Lazar, Geschäftsführerin des DEBWH, Dipl. Päd. Ewa Redemann, DEBWH-Vorstandsmitglied, und BdV-Geschäftsführerin Jolanta Lemm eine durchweg gelungene und erfolgreiche verständigungspolitische Veranstaltung und sicherlich auch eine informative Bereicherung für die 18 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus der Bundesrepublik.
Siegbert Ortmann