Wiesbaden. „Die Zusammenarbeit zwischen heimatvertriebenen und heimatverbliebenen Deutschen ist ein Symbol für die Überwindung von Trennungen und die Schaffung eines vereinten, friedlichen Europa, so Vladimir Ham, Vorsitzender der Deutschen Gemeinschaft in Kroatien, in seiner Festrede anlässlich der Gedenkveranstaltung zum Zentralen Tag der Heimat des hessischen Bundes der Vertriebenen (BdV), die am 15. September 2024 gemeinsam mit dem 11. Hessischen Gedenktag für die Opfer von Flucht, Vertreibung und Deportation in Schloss Biebrich feierlich begangen wurde. Der Festakt in der Rotunde des Biebricher Schlosses mit zahlreichen Ehrengästen aus der Landes- und Kommunalpolitik, den Vertriebenenverbänden, Landsmannschaften und zivilgesellschaftlichen Organisationen stand ganz im Zeichen des diesjährigen Leitwortes des BdV zum Tag der Heimat „Heimatvertriebene und Heimatverbliebene: Gemeinsam für ein friedliches Europa“. Die Ansprache zum Hessischen Gedenktag hielt der Hessische Ministerpräsident Boris Rhein.
Feierliches Gedenken in Schloss Biebrich
Neben dem Hessischen Ministerpräsidenten Boris Rhein, dem Festredner Vladimir Ham, Staatssekretär Martin Rößler vom Hessischen Ministerium des Innern, für Sicherheit und Heimatschutz sowie dem Hessischen Landesbeauftragten für Heimatvertriebene und Spätaussiedler Andreas Hofmeister konnte der BdV-Landesvorsitzende Siegbert Ortmann zahlreiche weitere Ehrengäste begrüßen, darunter die Bundestagsabgeordnete und Beauftragte der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten Natalie Pawlik, die Vorsitzende des Unterausschusses im Hessischen Landtag für Heimatvertriebene, Aussiedler, Flüchtlinge und Wiedergutmachung (UHW) Annette Wetekam sowie die Landtagsabgeordneten Rolf-Norbert Bartelt, Tobias Eckert, Miriam Dahlke, Yanki Pürsün sowie Robert Lambrou und Dimitri Schulz.
Ein weiterer Willkommensgruß galt dem Stadtverordnetenvorsteher der Landeshauptstadt Wiesbaden Dr. Gerhard Obermayer, dem Landrat des Rheingau-Taunus-Kreises Sandro Zehner sowie den beiden ehemaligen Landesbeauftragten für Heimatvertriebene und Spätaussiedler Rudolf Friedrich und Margarete Ziegler-Raschdorf. Ebenso herzlich begrüßte der BdV-Landesvorsitzende auch die Wiesbadener Stadtverordneten Eleftherios Tsiridis und Daniel Butschan, die Vertreter von Sozialverbänden, der Bundeswehr, von BdV-Nachbarverbänden sowie Angehörige landsmannschaftlicher Gruppierungen.
„Der Kontakt zu deutschen Minderheiten ist ein wichtiger Teil der Vereinsarbeit“
In seiner Begrüßungsrede dankte der BdV-Landesvorsitzende Siegbert Ortmann der hessischen Landesregierung unter Führung von Ministerpräsident Boris Rhein für die vielfältige Unterstützung des Bundes der Vertriebenen in Hessen und seiner Kultur-, Erinnerungs- und verständigungspolitischen Arbeit. „Das Land Hessen hat sich als Unterstützer der Anliegen der Vertriebenen längst zu einem mustergültigen Vorreiter in der Bundesrepublik gemacht“, so Ortmann. Dazu gehöre auch der gemeinsame Festakt zum Zentralen Tag der Heimat und Hessischen Gedenktag für die Opfer von Flucht, Vertreibung und Deportation. Dafür sei er der Hessischen Landesregierung sehr dankbar.
Dem diesjährigen Leitwort zum Tag der Heimat „Heimatvertriebene und Heimatverbliebene: Gemeinsam für ein friedliches Europa“ fühle sich der BdV Hessen in besonderer Weise verpflichtet. „Der Kontakt zu deutschen Minderheiten und die Pflege von deren Kultur und Sprache im östlichen und südöstlichen Europa ist ein sehr wichtiger Schwerpunkt in der Vereinsarbeit des BdV Hessen“, sagte der BdV-Landesvorsitzende. Vor allem durch die verständigungspolitischen Seminarreisen des Deutsch-Europäischen Bildungswerks in Hessen, das 1990 auf Initiative des BdV Hessen gegründet wurde, werde der Kontakt zu den deutschen Minderheiten gepflegt. Bei einer dieser Reisen nach Kroatien habe er auch den diesjährigen Festredner kennen und schätzen gelernt.
Zum Abschluss seiner Ausführungen richtete Ortmann noch eine Bitte an die Politik und regte an, gemeinsam mit dem Verein Deutsche Sprache e.V., den Goethe-Instituten und dem Auswärtigen Amt über die Einführung von „Tagen der deutschen Sprache“ in den ehemaligen deutschen Siedlungsgebieten nachzudenken. „Mit einem solchen Vorhaben könnte man vielleicht das Interesse, vor allem aber das Bewusstsein für die deutsche Sprache in den ehemaligen deutschen Siedlungsgebieten, insbesondere bei der dortigen Jugend wecken“, so Siegbert Ortmann abschließend.
„Unterstützung bleibt“
In seiner Ansprache zum 11. Hessischen Gedenktag für die Opfer von Flucht, Vertreibung und Deportation betonte Ministerpräsident Boris Rhein die Bedeutung von Versöhnung, Frieden und gemeinsamer Verantwortung in Europa. „Angesichts der aktuellen Krisen und Kriege in Europa ist es umso wichtiger, Brücken zwischen den Generationen und Nationen zu bauen. Der Hessische Gedenktag erinnert uns daran, dass die Kraft zur Verständigung und der Aufbau eines friedlichen Europas über Grenzen und Wunden hinweg nur gemeinsam gelingen kann“, sagte der Regierungschef. Mit seiner langjährigen Arbeit leiste der BdV Hessen einen wesentlichen Beitrag zur Völkerverständigung und zum friedlichen Zusammenleben in Europa. Gleichzeitig setze sich der Vertriebenenverband dafür ein, die Erinnerung an Flucht und Vertreibung lebendig zu halten. „Hinter den abstrakten Begriffen ,Flucht‘ und ,Vertreibung‘ stehen Menschen mit Gesichtern, Namen und Geschichten. Ihre Geschichten erinnern uns daran, wie kostbar Frieden, Freiheit und Sicherheit sind – und wie zerbrechlich. Bereits zum 11. Mal begehen wir unseren Hessischen Gedenktag für die Opfer von Flucht, Vertreibung und Deportation. Dieser Tag ist ein sichtbares Zeichen unserer großen Wertschätzung und tiefen Verbundenheit, die wir diesen Menschen gegenüber empfinden. Wir zeigen damit deutlich: Die Heimatvertriebenen, Aussiedler und Spätaussiedler gehören zu uns, so wie wir zu ihnen. Und dass wir dieses Miteinander heute als Selbstverständlichkeit betrachten, gehört zu den großen Errungenschaften der deutschen Nachkriegsgeschichte. Daher bleibt die Unterstützung der Heimatvertriebenen und Spätaussiedler für uns eine Herzensangelegenheit“, erklärte der Ministerpräsident.
Europa als gemeinsame Heimat
„Für viele von uns ist Heimat mehr als nur ein geografischer Ort. Sie ist ein Gefühl der Zugehörigkeit, eine Verbindung zu den Menschen und der Kultur, die uns geprägt haben.“ Mit diesen Worten begann Vladimir Ham, Vorsitzender der Deutschen Gemeinschaft in Kroatien, seine Festrede zum Tag der Heimat. „Nach den Erschütterungen des Zweiten Weltkrieges standen viele unserer Vorfahren in Kroatien und anderen Ländern vor der schwierigen Entscheidung, in eine ungewisse Zukunft in Deutschland aufzubrechen oder in einer feindseligen Umgebung zu bleiben“, so Ham.
In seiner emotional bewegenden Ansprache berichtete er über das Schicksal der deutschen Minderheit in Kroatien, deren Geschichte Jahrhunderte zurückreiche und deren Gemeinschaft am Ende des Zweiten Weltkrieges zerrissen worden sei. Viele seien geflohen oder vertrieben worden. Andere hätten sich entschieden, im damaligen Jugoslawien zu bleiben. „Diese Heimatverbliebenen sahen sich mit vielen Herausforderungen konfrontiert – dem Entzug der Bürgerrechte, Enteignungen und in vielen Fällen schmerzhafte Assimilation. Unsere Sprache, unsere Bräuche, unsere Kultur drohte verloren zu gehen.“ Auch seine Eltern hätten kein Deutsch gesprochen. Er selbst habe erst Deutsch als Kriegsflüchtling in Deutschland während des Jugoslawienkrieges in den 1990er-Jahren gelernt, berichtete der Vorsitzende der Deutschen Gemeinschaft in Kroatien.
Doch gerade die Heimatverbliebenen in Kroatien hätten nach dem Zerfall Jugoslawiens eine wichtige Rolle als Brückenbauer und wichtige Verbindung zwischen Deutschland und Kroatien gespielt. „Diese Menschen haben durch ihre Arbeit, ihren Einsatz und ihre Werte zur Entwicklung der kroatischen Gesellschaft beigetragen und das Bild der Deutschen als verlässliche und engagierte Mitglieder dieser Gesellschaft geprägt“, sagte Vladimir Ham. Auch die Rolle der Vereine der heimatvertriebenen Deutschen bei der Hilfestellung für Kroatien während des Unabhängigkeitskrieges sei von großer Bedeutung gewesen. Diese hätten etwa durch Spendenaktionen humanitäre Hilfe geleistet und sich in Deutschland und auf europäischer Ebene für die Anerkennung Kroatiens als unabhängiger Staat eingesetzt. „Diese Solidarität und Unterstützung trugen dazu bei, die Beziehungen zwischen der deutschen Minderheit und der kroatischen Bevölkerung zu stärken und den Grundstein für eine friedliche, partnerschaftliche Zusammenarbeit im Nachkriegs-Kroatien zu legen“, erklärte der Festredner.
Mit Blick auf die Zukunft sagte Vladimir Ham, dass der Erhalt der Identität und die Förderung des kulturellen Austauschs eine zentrale Aufgabe bleiben müsse. „Wir müssen weiterhin dafür kämpfen, dass unsere Sprache in den Schulen unterrichtet wird und dass junge Menschen die Möglichkeit haben, ihre deutsche Herkunft zu entdecken und zu pflegen“, sagte er. In einem friedlichen Europa ohne Grenzen bleibe die Heimat eine Verpflichtung, das Erbe unserer Vorfahren zu bewahren und an die kommenden Generationen weiterzugeben, schloss Vladimir Ham seine Festrede.
Abschließende Dankesworte
Zum Abschluss der Gedenkveranstaltung dankte die stellvertretende BdV-Landesvorsitzende und Landeskulturbeauftragte Rose-Lore Scholz den Rednern für ihre bewegenden Ansprachen und lud die Gäste zu einem anschließenden Empfang ein. Ein Dank galt auch den Musikern vom Jazz-Duo sowie dem Streichtrio der Junge Musik Hessen GmbH, die die Festveranstaltung musikalisch umrahmten.