"DIESE ERFAHRUNGEN DÜRFEN NICHT VERLORENGEHEN!“

Beim „Tag der Heimat“ des BdV-Kreisverbandes Groß-Gerau wird der Erinnerungskultur vor dem Hintergrund aktueller Krisen großer Wert beigemessen.

Zum Ende des Festaktes zum Tag der Heimat des hessischen Kreisverbandes Groß-Gerau, im Bund der Vertriebenen (BdV), am 28. September, in Stockstadt, spielte das Violinduo Clara Fiedler und Mathilda Mikowski-Bosworth die deutsche Nationalhymne. „Einigkeit und Recht und Freiheit“ passte so recht zu den Ausführungen der Redner. Sie knüpften an das Motto des Tages an:

„80 Jahre: Erinnern – Bewahren – Gestalten!“.

„Wir begreifen angesichts der Kriege in und außerhalb Europas, wie fragil Frieden und Sicherheit sein können”, sagte Landrat Thomas Will (SPD). Der Schirmherr des Tages in Stockstadt ging auf die drei Begriffe des Leitwortes ein: „Wir erinnern an Schicksale, Verlust und Leid. Erinnern heißt, Verantwortung übernehmen, Betroffene würdigen und Geschichten weitergeben, damit Solidarität, Rechtsstaatlichkeit und Menschenwürde unerschütterlich bleiben.“ Bewahren bedeute, aus der Vergangenheit konkrete Schritte abzuleiten: Gedenkstätten, Bildung, Forschung, offene Willkommenskultur.

Gestalten heiße heute, dafür zu sorgen, „dass sich alle zuhause fühlen, Vielfalt als Stärke anerkennen und Perspektiven schaffen. Erinnern, Bewahren und Gestalten sei kein einmaliger Akt, sondern ein andauernder Auftrag. Auch Pfarrer Maximilian Eichler ging in seinem geistlichen Wort auf das Leitwort ein. Dabei verknüpfte er die drei Begriffe mit Bibelstellen. Als feste Größe im demokratischen Europa bezeichnete der Stockstädter Bürgermeister Thomas Raschel (CDU) den BdV: „Sie mahnen seit Jahrzehnten zu Frieden und Einigkeit.“

Festrednerin Ines Claus sah Bezüge des Geschehens von vor 80 Jahren zum Heute. Es habe keine Freude geherrscht, über die aus ihrer Heimat vertriebenen neuen Mitbürger, meinte die Fraktionsvorsitzende der CDU im Hessischen Landtag. Dennoch „sind wir eine Gemeinschaft geworden“. Claus forderte dazu auf, wertzuschätzen, „was wir in diesen Jahren gemeinsam geschafft haben“. Wer nicht optimistisch sei, könne auch nicht gestalten.

Die vor 75 Jahren beschlossene Charta der deutschen Heimatvertriebenen sei ein herausragendes Dokument: Fünf Jahre nach dem Krieg verzichten die Vertriebenen auf Rache und Vergeltung und rufen zur Versöhnung auf. Die Erfahrungen der Vertriebenen dürften nicht verlorengehen, meinte Claus, obwohl die Zeitzeugen weniger würden. „Wir müssen aufpassen, dass wir die Erfahrungen in die nächste Generation übertragen können.“ Daran wolle das Land Hessen mitwirken.

Claus nannte zwei Projekte, die bundesweit einzigartig seien: An der Uni Gießen sei ein Forschungsbereich zur Aussiedlung eingerichtet worden. In Hasselroth gebe es einen Sonderlehrgang zur Erlangung der Hochschulreife für junge Aussiedler. Zudem verwies die Rednerin auf die seit 25 Jahren bestehende Position des Beauftragten für Heimatvertriebene und Aussiedler und die Einführung des Hessischen Gedenktages vor elf Jahren. „Frieden und Freiheit sind bedroht!“, rief Claus aus. Dennoch gelte: „Wir müssen alle gemeinsam agieren, wir dürfen den Glauben daran nicht verlieren, dass wir schwierige Zeiten meistern können.“

Eingangs hatte Helmut Brandl als Mitglied des BdV-Leitungsteams und Kreisobmann der BL-Kreisgruppe Groß-Gerau viele Ehrengäste aus Politik und Verbänden begrüßt. Wenn die Heimatvertriebenen Jahr für Jahr mit dem Tag der Heimat an die Vergangenheit erinnerten, sei dies nicht nur eine historische Pflicht, sondern ein unverzichtbarer Beitrag zur Wahrung von Frieden und Freiheit. „Aus dem Leid der Vergangenheit ergibt sich unsere Verantwortung für die Gegenwart und die Zukunft in Deutschland und Europa.”

Dem Festakt folgte ein gemütliches Beisammensein mit Heimatklängen von der BdV-Musik- und Gesangsgruppe des BdV-Kreisverbandes Groß-Gerau.

 

(Helmut Brandl)

CDU-Fraktionsvorsitzende Ines Claus beim Tag der Heimat in Stockstadt (Foto: Helmut Brandl)
Die Vereinsmitglieder und Gäste beim Tag der Heimat des BdV Groß-Gerau (Foto: Helmut Brandl)