Bis ans Meer: Erinnerung die weiterträgt

Bestseller-Autorin Peggy Patzschke mit ihrem Buch „Bis ans Meer“, über Familie, Liebe und Flucht

Am 1. Oktober 2025 gegen 19 Uhr, brachte der BdV-Landesverband Hessen im Haus der Heimat in der Friedrichstraße 35, in Wiesbaden Literatur und Zeitgeschichte zusammen. Bestsellerautorin, Journalistin und Moderatorin Peggy Patzschke las aus ihrem Roman „Bis ans Meer” und eröffnete dabei Gesprächsräume zu Familiengeschichte, Vergangenheitsbewältigung und dem kreativen Schreibprozess. Mit rund 40 Teilnehmerinnen und Teilnehmern war der Saal gut gefüllt, und das Publikum war gespannt, als Patzschke mit der Lesung begann. Dank der Förderung durch das Hessische Ministerium des Innern, für Sicherheit und Heimatschutz, konnten Eintritt und Teilnahme für alle Interessierten kostenlos angeboten werden. Der Abend bot mit Getränken und Speisen in den Ausstellungsräumen der Friedrichstraße 35 eine kulturell profilierte, niveauvolle, doch unbeschwerte und lebendige Atmosphäre.

„Bis ans Meer“ arbeitet mit einer klaren, dichten Erzählweise, die Schweigen in Familien benennt und fassbar macht. Literatur wird zum Werkzeug, um Verdecktes anzusprechen und gemeinsame Sprache zu finden. Durch den Abend führten Rose-Lore Scholz (Kulturbeauftragte) und Ann-Kathrin Hartenbach (Kulturreferentin). Scholz übernahm die Begrüßung, Hartenbach moderierte Hintergründe und leitete im offenen Gespräch zu ausgewählten Passagen über, bevor Patzschke fortfuhr. Patzschke selbst verortet ihren historisierten Liebesroman im Autobiografischen. Die Flucht ihrer Großmutter aus Schlesien prägte Stoff und Perspektiven der Figuren. In den Gesprächsrunden wurde sichtbar, wie Krieg, Flucht und Vertreibung bis in zweite und dritte Generation wirken. Die Bindungen an die alte Heimat, Brüche in Lebensläufen und transgenerationelles Trauma waren dabei Themen, die die Gäste zum Hinterfragen ihrer eigenen Geschichte anregten. Highlights, wie eine Karaoke-Einlage mit schlesischen Liedern, die sich auch im Buch wiederfinden, schufen Nähe und führten vom Text zur gelebten Erinnerung.

Bei der Lesung am 1. Oktober erklärte, dass sie den Stoff für ihr Buch seit Kindertagen in sich trage. Ihre Großmutter floh selbst aus Schlesien und hatte eigene Erfahrungen gemacht. Der Roman spannt den Bogen von Friedas Flucht im Jahr 1945 über die Lebenswege der Kinder bis hin zur Spurensuche der namenlosen Enkelin in der Gegenwart. So werden generationsübergreifende Effekte sichtbar: Weitergegebene Verhaltensmuster oder offene Fragen nach Zugehörigkeit, Gerechtigkeit und danach, was Beziehungen aus unseren frühkindlichen, familiären Prägungen aufdecken können. Zentraler Aspekt der Erzählung mit doppelter Rahmung, durch vergangenes Schicksal und gegenwärtigen Nachforschungen der Enkelin, ist das Überkommen der eigenen Probleme durch Aufarbeiten und Lernen aus der Vergangenheit.

Patzschke verstand das Schreiben selbst, als ordnen persönlicher Erfahrungen dort, wo Archive und Familienakten Lücken lassen. In Patzschkes Roman stehen Mütter und Kinder im Fokus, die auf der Flucht handelten, Entscheidungen trafen und das Überleben organisierten, während die Männer in Gefangenschaft oder im Krieg an der Front andere Schicksale erleiden mussten. „Bis ans Meer“ ist ein Werk, dass sich bewusst den Traumata der Millionen vertriebenen Frauen und deren Nachkommen widmet. Es ist keine Erzählung von heroischer Gewalt oder kriegerischen Triumph. Die Schicksale der starken Frauen, die die Tortouren von Flucht und Vertreibung überlebten, waren und sind stille Bewältigungsprozesse, die teilweise über Generationen hinweg in unterschiedlichsten Formen vererbt und nicht durchbrochen werden. Fast jeder und jede Vierte in Hessen hat selbst familiäre Hintergründe zu den Heimatvertreibungen und Umsiedlungen in Europa nach 1945, wodurch die Themen der Lesung noch heute wichtige Impulse für unsere Gemeinschaft lieferte.

„Bis ans Meer“ fügt sich in die Kulturarbeit des BdV-Landesverbands Hessen, da der Roman Zugehörigkeit, Identität und die Nachwirkungen von Vertreibung verständlich macht und Gespräch ermöglicht. Für diesen Beitrag und die Möglichkeit möchten wir allen Beteiligten danken und freuen uns auf zahlreiche weitere Veranstaltungen.

Die Veranstalterinnen (von links nach rechts) Rose-Lore Scholz (Kulturbeauftragte beim BdV Hessen), Ann-Kathrin Hartenbach (Kulturreferentin des BdV Hessen) und Bestsellerautorin Peggy Patzschke.
Die rund 40 Gäste bei der Lesung vom 01.Oktober 2025.
Der Blick aus dem Publikum in den Ausstellungsräumen der Friedrichstraße 35. Ann-Kathrin Hartenbach (links) moderiert das Gespräch mit Autorin Peggy Patzschke (rechts) und leitet zu ausgewählten Passagen des Romans über.