Migration und Integration sind aufgrund der Entwicklung Europas zu einer bedeutenden Wanderungsregion auch in Deutschland zu wichtigen Forschungsthemen geworden – jüngst auch bedingt durch die sogenannte Europäische Flüchtlingskrise der Jahre 2015/16, so Prof. Dr. Andreas Hedwig. Der Präsident des Hessischen Landesarchivs betonte zeitgleich, dass die Fragestellung in der Forschung stets dem aktuellen Zeitgeist geschuldet, die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dieser komplexen Thematik jedoch keineswegs ein neues Thema sei. Allein das Land Hessen verzeichnete in der Nachkriegszeit 1, 2 Millionen deutsche Flüchtlinge und Heimatvertriebene aus dem europäischen Osten.
Dr. Johann Zilien, wissenschaftlicher Archivar im Hessischen Hauptstaatsarchiv Wiesbaden, präsentierte den Ist-Stand der Quellenlage in Hessen und bestätigte aufgrund der ermittelten Quellenlage, dass bereits in den 1980er/90er Jahren die Geschichte der Aufnahme und Integration der Flüchtlinge und Vertriebenen nach 1945 im Fokus des hessischen Archivwesens und der historischen Forschung stand. Auf Anregung der Vertriebenenverbände rief die hessische Landesregierung 1988 eine Forschungskommission ins Leben, in der sich Geschichtswissenschaftler und Archivare zusammenfanden. Seitens der Archive entstand bis 1992 das Inventar Quellen zur Integration der Flüchtlinge und Vertriebenen in Hessen als erster Band einer spezifischen Schriftenreihe zu dieser Thematik. Auf fast 700 Seiten gibt dieser Band umfassend Auskunft über die archivalischen Quellen in den öffentlichen Archiven Hessens. Auf der Grundlage dieser Quellenforschung entstanden zwischen 1993 und 1998 fünf geschichtswissenschaftliche Arbeiten, die sich unterschiedlichen Facetten der Aufnahme und Integration der Flüchtlinge und Vertriebenen annahmen. Dr. Zilien führte fort, dass bei der Quellendurchsicht deutlich wird, dass die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Thema in den 1990er Jahren aufhört: „Das Bewusstsein für das Thema der Heimatvertriebenen ist aktuell weniger präsent. Jedoch liegt heute die Chance, diese Thematik im großen Rahmen wieder hervorzuheben. Was ist ‚damals‘ bei der Integration der Heimatvertriebenen gut/schlecht gelaufen? Was kann die heutige Gesellschaft daraus lernen und was lässt sich auf die heutige Migrations- und Integrationsdebatten übertragen?“, so Prof. Dr. Andreas Hedwig. Dem stimmte die BdV-Landeskulturreferentin Rose-Lore Scholz zu und betonte die enorme Relevanz einer wissenschaftlichen Auseinandersetzung an den Universitäten und – damit zusammenhängend – eines nachhaltigen Wissenstransfers.
Auch der BdV Landesverband Hessen verfügt über ein Archiv mit hochspannenden Dokumenten, darunter auch Film- und Fotobestand. Die Leiterin des Hessischen Hauptstaatsarchivs Wiesbaden, Dr. Nicola Wurthmann, sicherte dem BdV Landesverband Hessen eine beratende Unterstützung bei der Autopsie des Archivs im Wiesbadener Haus der Heimat und ggf. eine Übernahme von Teilen des Bestandes zu. „Der BdV Landesverband Hessen ist ein interessanter Verband für uns“, so der Präsident des Hessischen Landesarchivs. So ist nicht verwunderlich, dass die Begegnung mit dem Vorhaben einer gemeinsamen Veranstaltung endete. Ein Rundgespräch zur universitären und universitätsnahen Geschichts-, Migrations- und Integrationsforschung soll in Kooperation mit dem BdV Landesverband Hessen und dem Hessischen Hauptstaatsarchiv demnächst stattfinden.