Liebe Besucherinnen und Besucher,

der Bund der Vertriebenen (BdV) bekennt sich weiterhin zur Bedeutung des ostdeutschen Kulturerbes und dessen zukünftiger Sicherung und Weiterentwicklung, wie es § 96 das Bundesvertriebenengesetzes (BVFG) vorgibt. Erfreulicherweise ist hierzu festzustellen, dass die Auseinandersetzung mit diesem kulturellen und geschichtlichen deutschen Erbe heute zunehmend von einem Großteil der Bevölkerung als Bereicherung wahrgenommen wird. Dabei hat sich in der Allgemeinheit erkennbar die Überzeugung durchgesetzt, dass sich ein zukünftiges Europa auch seiner Geschichte bewusst sein muss und das Verbindende nicht jenseits, sondern nur über die jeweiligen geschichtlichen Erfahrungen geschaffen werden kann. Nur so kann eine tragfähige Grundlage für die gemeinsame Weiterentwicklung und Pflege des deutschen Kulturgutes im östlichen Europa entstehen.

Nicht von ungefähr liegen zahlreiche europäische Kulturhauptstädte im östlichen Europa und damit in ehemaligen deutschen Siedlungsgebieten. Der Begriff "Kulturhauptstädte" geht auf Initiative der damaligen griechischen Kulturministerin auf das Jahr 1985 zurück mit dem Ziel, den Reichtum und die Vielfalt der europäischen Kulturen aufzuzeigen sowie das Verständnis der Bürgerinnen und Bürger über andere Kulturen zu verbessern. Diese Kulturhauptstädte sind gewissermaßen Botschafter eines gemeinsamen, toleranten und offenen Europas. Um diese bedeutsamen Metropolen einer größeren Öffentlichkeit vorzustellen, führt der BdV-Landesverband Hessen alljährlich bildungspolitische Seminarreisen in diese Regionen durch. In letzter Zeit gingen diese Reisen mit dem vom BdV-Landesverband gegründeten Deutsch-Europäischen Bildungswerk mit Teilnehmern aus der ganzen Bundesrepublik nach Polen, der Slowakei, Slowenien und Tschechien, um neben den alten historischen Städten auch die deutschen Minderheiten vor Ort zu besuchen und wenn möglich dabei Kontakte zu pflegen. Die Weiterentwicklung des Schutzes von Minderheiten und die Schaffung eines Volksgruppenrechtes in Europa und weltweit ist dem BdV ein großes Anliegen.

Gemäß nahezu einstimmigen interfraktionell getroffenem Beschluss des Deutschen Bundestages vom 28. Februar 1997, der nochmals am 15. Dezember 2010 bekräftigt worden ist, sind die deutschen Heimatvertriebenen und deren Verbände als“ Botschafter der Aussöhnung und Verständigung mit unseren östlichen Nachbarn“ bei diesem Bemühen von staatlicher Seite zu unterstützen.

Mit ihrer Kultur haben bekanntlich die Vertriebenen einen Teil ihrer  Heimat in ihr neues Zuhause gebracht. Das war und ist ein Gewinn für uns alle. Deshalb stehen wir alle in der Verantwortung, dieses reiche kulturelle Erbe zu bewahren. Für die dafür gewährte finanzielle staatliche Unterstützung der Bundesregierung gemäß § 96 BVFG sind die Vertriebenen dankbar, dass die geförderte Kulturarbeit nicht allein zu einer Aufgabe von Forschern, Restauratoren und Museumsleitern geworden ist. So bedeutend die Bewahrung und wissenschaftliche Erforschung der Kultur der Vertriebenen auch ist, sie darf sich nicht auf die Musealisierung des Vergangenen beschränken.

Ein Schwerpunkt muss ab er auch unbedingt auf dem gegenseitigen Austausch, der Vermittlungs- und Versöhnungsarbeit liegen. Längst ist heute ein Großteil der ehemaligen Vertreibungsgebiete Teil der Europäischen Union geworden. Staatliche Grenzen trennen die Menschen nicht länger, - sie verbinden. Dadurch ergeben sich Möglichkeiten für verständigungspolitische Maßnahmen, die letztendlich auf Aussöhnung mit den östlichen Nachbarn gerichtet sind.

Der BdV-Landesverband Hessen hat diesen gesetzlichen Auftrag längst angenommen, - und dies mit großem Erfolg. Damit lassen wir uns nicht mehr als ein“ Folkloreverband“ aus vergangenen Zeiten einordnen, sondern als ein redlich bemühter, verlässlicher Botschafter im europäischen Rahmen.

All dies könnte eigentlich nur erfreulich sein, wären da nicht aktuelle nationale Verlautbarungen in den ost- und südosteuropäischen Ländern, die leider schon wieder den längst überholten Nationalismus und teilweise sogar auch Rassismus das Wort reden. Ich bin darüber besorgt, weil dadurch der europäische Geist ernsthaften Schaden nimmt. Durch solche Stimmen ist der derzeitige Stand und die weitere Entwicklung eines freien und geeinten Europas gefährdet. Eine solche Entwicklung sollte uns alle nachdenklich stimmen. Nichts wäre für Europa schlimmer, als der ungebremste Verfall in die National-Staaterei und Abschottung mit allen ihren schrecklichen Erfahrungen aus der Geschichte. Auch die Vision aus der Charta der Heimatvertriebenen von einem geeinten Europa in Frieden und Freiheit wäre ernsthaft in Gefahr.

Es steht uns also gut an, dass wir als Bund der Vertriebenen auch nach über 60 Jahren unserer Verbandsgründung weit über die Themen der Vergangenheit hinaus darüber diskutieren, was Heimat für verlässliche Partner unter einem gemeinsamen schützenden Dach „Europa“ ausmacht.

Siegbert Ortmann, BdV-Landesvorsitzender in Hessen

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